Chronik einer erstaunlichen Geschichte.
WP vom 28.12.2022 von J. Overkott
Sie ist bescheiden. Aber ohne Johanna Rüth wäre bei der Dorfenergiegenossenschaft Mellen alles nichts.
Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es im Stadtgebiet mit Blick auf die Stromgewinnung aus nachhaltigen Energiequellen meist mürrische Mienen. Projekte wie der Windpark Kohlberg in Neuenrade fanden nicht viel Unterstützung. Allzu oft fürchteten Ratsfraktionen und Verwaltung „Verspargelung“ der Landschaft. Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Das zunehmende Bewusstsein, dass der Klimawandel längst im Hönnetal angekommen ist, hat dazu beigetragen. Weit mehr aber befeuerte die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energie-Krise neues Denken. Vorne weg geht die Dorfenergiegenossenschaft Mellen. Dahinter steckt ein kluger Kopf.
Wäre Geschichte ein Film, könnte er zurückgespult werden bis zu diesem März. Damals stellte Johanna Rüth bei einer Dorfversammlung in Mellen eine Idee vor: Energie, so ihr Plan, könnte künftig im Golddorf selbst erzeugt werden, nachhaltiger Sonnenstrom beispielsweise. Im Idealfall könnte sich Mellen mittelfristig selbst mit Strom versorgen – nach dem Vorbild des dörflichen Wasserbeschaffungsverbandes. Johanna Rüth, im Hauptberuf Marketing-Fachfrau für eine Logistikfirma in Holzwickede, argumentierte, warb, begeisterte – nicht zuletzt mit der berechtigten Aussicht, dass ein gemeinnütziges Projekt auch Geld für die Anteilseigner im Dorf abwerfen würde.
Eine Gruppe Engagierter formierte sich. Dazu zählte die Vorsitzende der CDU-Ortsunion, Siggi Drees. Sie leistete im Hintergrund viel Arbeit, machte sich im Planungsrecht kundig, sprach mit Stadtverwaltung und Bezirksregierung, kontaktierte die heimischen Stadtwerke, die ebenfalls mehr Energie aus erneuerbaren Quellen anbieten wollen, und nicht zuletzt heimische Geld-Experten. Obendrein war die Frage zu klären, welche Rechtsform für ein gemeinnütziges Energie-Projekt ratsam sei. Am Ende entschieden sich Johanna Rüth & Co., eine Genossenschaft zu gründen: die Dorfenergiegenossenschaft Mellen. Im Vorstand spielen zwei Männer eine wichtige Rolle. Wilfried Köster, ehemaliger Prokurist des heimischen Farbenherstellers Nitsche, versteht sich aufs Finanzieren. Jürgen Schneider ist Experte für technische Fragen.
Im September nahm das Vorhaben Konturen an: Zwei Hektar Wiese sollen mit aufgeständerten Solar-Kollektoren bestückt werden; das Gelände wird bisher vom örtlichen Wasserbeschaffungsverband genutzt.
Im Herbst ging alles schnell
Dann ging alles überraschend schnell. Ende Oktober stellte sich die Dorfenergiegenossenschaft im Golddorf vor. Wenig später folgten Versammlungen in den Nachbardörfern Langenholthausen und Beckum. Das Interesse war größer als erwartet. „Wir mussten Stühle nachstellen“, erinnert sich Johanna Rüth an die Veranstaltung in Langenholthausens Sokola.de. Die Genossenschaft hat derweil einen Aufnahmestopp für neue Mitglieder verhängt.
Derweil gab die Politik dem Vorhaben weiteren Schwung. Der Rat stimmte einem städtebaulichen Vertrag zwischen Genossenschaft und Kommune zu. CDU-Fraktionschef Alexander Schulte lobte die Mellener Initiative ausdrücklich.
Nächstes Jahr geht es für die Genossenschaft vor allem um die bauliche Seite. Die spannende Frage lautet: Wann steht die Anlage?